Corps Accords/ Body talk, art&marges musée, Brüssel, 2010

 

Augen-Körper-Blicke . Distanzierte Nähe

Wo sind meine Augen, wenn mein Blick sich in dem verliert, was ich da jetzt vor mir sehe? Konturen von Körpern, schraffierte Flächen, ineinander geflochtene Glieder. Rotes Leben, schwarze Trauer. Die Grenzen des Körpers und seiner Gefühle sind im Bild nicht sichtbar. Wie von außen erlebt der Betrachter sich als Jemand in einer unbestimmten, wie abwesend erscheinenden Welt. Bewegungen und Bewegendes bedingen sich, sind nicht voneinander zu trennen.

Im Mittelpunkt der modernen Kunst, so der Soziologe Dirk Baecker kürzlich, stehe nicht der Körper, sondern „der leere Mensch, die Leerstelle“1, der denkend sich selbst neu erschafft und den Erinnerungen, die Körper speichern, eine Form zu geben versucht. „Der Körper ist nicht das Ichdenken. Ganz im Gegenteil. … Im Denken ist der Körper abwesend.“ (Dirk Baecker) Aber wo ist der Körper, wenn er gerade im Inneren eines Bildes angedeutet wird? Klaus Wittkamps Körper-Bilder erzählen nicht nur von ihrer Präsenz und Vitalität, sondern auch von ihrem Versuch, die Grenzen zwischen Innen und Außen in das Bild selbst zu verlegen. Wer sich selbst nicht kennt, macht sich ein Bild. Und wer Bilder nicht kennt, ermöglicht es sich selbst, in diesen umherzureisen. Bilder sind Metaphern. Lust erschafft ihre eigenen Augen.

 

Meine Bilder gehören mir, scheinen Wittkamps Werke zu behaupten. Der Nähe, der ich hier, vor seinen Zeichnungen, begegne, verändert mein Bild von Nähe. Sie wird allmählich zu einer Distanz, die sich zwischen die Körper im Bild und das Bild meiner Betrachtung schiebt, und sich mir entgegen drängt.

 

Michael Kröger       (MARTa Herford)

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1 Vgl. Dirk Baecker, Kunst und Öffentlichkeit (2007) . In: ders., Nie wieder Vernunft. Heidelberg 2008, S. 578.